Radikale Suche nach der Wahrhaftigkeit

Von Uta Biestmann-Kotte
Osnabrück.

In Deutschland lächeln einen die Fußgänger mehr an. Das ist Dorota Maslowska während ihres bald einjährigen Stipendiataufenthalts in Berlin aufgefallen. Dass ihr Deutsch dennoch nicht ausgereift ist, schreibt sie ihrem „deutsch-resistenten Gehirn“ zu.

Fast schon kindlich-schüchtern wirkt die 26-jährige Warschauerin am Tisch im Ledenhof neben ihrem Berliner Übersetzer und „Mitleser“ Dr. Olaf Kühl. Ein Eindruck, der täuscht. Mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem renommierten polnischen Nike-Preis, ist Maslowska längst ein „alter Hase“ in der polnischen Literaturszene. Seit sie mit ihrem Debütroman „Schneeweiß und Russenrot“ 2002 zum literarischen Shootingstar avancierte, hat sie einen weiteren Roman und zwei Theaterstücke veröffentlicht. Mit diesem Lebenslauf passt sie in die neue Reihe „Junge europäische Autoren“ des Literaturbüros Westniedersachsen, die in Kooperation mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft und dem Theaterverein Osnabrück gestartet wurde.

Zu einer deutsch-polnischen Lesung präsentierten Maslowska und Kühl eine Kostprobe aus Maslowskas Werk – sprachlich wie inhaltlich keine leichte Kost. Die Suche nach Wahrhaftigkeit im post-kommunistischen Polen drückt Maslowska in einer Kunstsprache aus Fäkalausdrücken, Jugendjargon und Werbeslang aus: Perspektivlosigkeit, Kommerz und Gewalt pur.

Das „kleine Metal-Mädchen“ aus dem Stück „Wir kommen gut klar mit uns“ rebelliert gegen die polnisch-nationale Großmutter, während die Speed suchenden Antihelden des Debütromans eine Schneise der Gewalt hinter sich herziehen. Aggressiv hingerotzte Prosa, die im Roman „Die Reiherkönigin“ von 2005 noch auf die Spitze getrieben wird: eine komplett durchgerappte Sinfonie des Grauens, in der ein abgehalfterter Popstar durch Warschau irrt.

Für Publikum wie Übersetzer eine Herausforderung. „Metal-Mädchen“ Maslowska konnte dennoch beweisen, wie sehr sich eine Kindheit im tristen Plattenbau auf die Kreativität auswirken kann. Das nächste Werk ist schon in Planung.

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (http://www.neue-oz.de/information/noz_print/feuilleton/24048827.html)