Olaf
Kühl:
Sie haben die
Befürchtung geäußert, die USA könnten sich im Nuklearstreit mit dem
Iran zu
einem Militärschlag hinreißen lassen.
Brzeziński:
Ja,
es gibt Leute, die
sich nach einer Militäraktion im Iran sehnen. Die Folge davon wäre ein
Chaos in
der ganzen Region. Aber offenbar hat in letzter Zeit ein
Umdenkungsprozess
eingesetzt. Nicht einmal die Bush-Regierung kann es sich leisten, die
Realität
auf Dauer zu verdrängen.
OK:
Was
ist die Alternative?
Brzeziński:
Das Wichtigste wäre
heute, eine Verständigung mit der islamischen Welt zu finden. Amerika
darf
komplexe Probleme nicht mehr auf richtig und falsch, gut und böse
reduzieren. Es
muss mehr Wert auf Konsens und gemeinsame Werte legen.
OK:
Panie Profesorze, als Witold
Gombrowicz
1963 in Berlin war, hat er zwar die polnische Luft gerochen, aber den
Schritt
in seine alte Heimat nicht mehr gewagt. Er hatte Angst, das könnte eine
Reise
in den Tod werden.
Brzeziński: Ich bin zwar schon einen Zahn älter, als Gombrowicz damals war, aber diese Angst habe ich nicht. Ich reise oft nach Polen und habe dort viele Freunde.
OK.
Letztes Jahr sind Sie von der Gazeta
Wyborcza zum "Mann des Jahres 2006" gewählt
worden.
Brzeziński.:
Ja, und ich habe übrigens in meiner Dankesrede darauf hingewiesen, dass
Polen die Chancen, die ihm aus der jüngsten Geschichte erwachsen sind,
in
vielerlei Hinsicht noch nicht ausreichend nutzt. Der Ausgangspunkt muss
die
historische Versöhnung mit Deutschland sein. Das erfordert Geduld,
Arbeit und
eine erweiterte historische Perspektive. Man darf nicht ständig die
schmerzliche Vergangenheit aufwühlen. Einen Freund kann man nicht von
der Warte
moralischer Überlegenheit herab behandeln. Man muss Überzeugungsarbeit
leisten.
Aus der Art, wie er seine Kaffeetasse absetzte, schloss ich, dass das Gespräch beendet war.
"Cześć", sagte er, als er mir zum Abschied die Hand reichte.