Interview mit Dorota Masłowska in THEATER DER ZEIT, 6/2008.

Deine Rumänen verraten eine verblüffende Virtuosität im Umgang mit den Regeln der dramatischen Gattung. Was wusstest du von diesem Genre, als du 2006 vom Warschauer Teatr Rozmaitości den Auftrag bekamst, ein Stück zu schreiben? Worauf hast du selbst geachtet?

Als ich den Auftrag bekam, wusste ich vom Theater nicht mehr als ein guter Gymnasiast –  es gibt handelnde Personen, Didaskalia, den Titel – und nicht vielmehr. Ich mache beim Schreiben immer einen großen Bogen um die Tatsache, dass ich die Regeln nicht kenne, nach denen Literatur zu entstehen hat. Ich arbeite instinktiv. Ich lese viel und verlasse mich dann auf mein Glück und auf die Stimmen aus dem Kosmos. Schreiben ist für mich wie ein großer Scan meines eigenen Gehirns. Ich nehme lange Zeit lang nur auf und versuche dann eine Zustandsbeschreibung dessen, was sich in meinem Gehirn verändert hat. Damals habe ich wirklich einen Bekannten, der Theater studierte, ausgefragt, worauf ich achten müsse. Er gab mir drei Tips. Erstens müsse das, was am Anfang im Stück auftaucht, auch am Ende wieder vorkommen (das berühmte Gewehr). Zweitens müssten die Personen immer etwas anderes sagen als das, was sie denken. Und drittens... das habe ich jetzt vergessen.

Hast du mit diesem Stück Blut geleckt? Gefällt dir das Schreiben fürs Theater inzwischen besser als das Schreiben von Prosa, von Romanen?

Mich beeindruckt immer wieder, dass das Schreiben eines Theaterstücks etwas völlig anderes ist als Prosa. Für das Theater zu schreiben ist so, als müsste man einen Code konstruieren. Darin steckt eine geballte Ladung Mathematik, also etwas, was mich theoretisch völlig überfordern müsste. Ganz zu schweigen davon, dass man zur Konstruktion der dargestellten Welt ausschließlich auf die Worte angewiesen ist, die den Personen über die Lippen kommen. Der Ton, die unterschwellige Aussage, die subtile Färbung lassen sich nur durch grammatische Mittel, den Satzbau usw. andeuten. Das ist ungemein kompliziert. Ich schreibe keine Didaskalia, weil mir das irgendwie peinlich ist. Ich bin der Meinung, alles muss im Dialog selbst enthalten sein. Vielleicht sind die Rumänen deshalb ein ziemlich problematisches Stück, dass sich leichter lesen als auf die Bühne bringen lässt.

Welche weiteren Unterschiede siehst du zwischen den beiden Gattungen?

Ich glaube, wenn man ein Stück schreibt, baut man eigentlich nur das nackte Gerüst für die Vorstellung. Da muss dann erst jemand kommen und die Leute ankleiden, ihnen Gesten verleihen, sie selbst müssen das mit ihren Stimmen sprechen. Man konstruiert quasi eine Matrix, nicht die Totalität der Geschichte; eine Art Code, der sich dann auf unvorhersehbare Art weiter entwickeln kann.

Worin siehst du den Schwerpunkt der Rumänen? Geht es vorwiegend um Gesellschaftskritik, um soziale Fragen, wie die neue Linke unter den Kritikern in Polen suggeriert? Oder geht es allgemein um die conditio humana, die Befindlichkeit des Menschen in der heutigen Zeit, seine Einsamkeit?

Ich habe nie so geschrieben, dass ich mich hinsetze und sage: Jetzt schreibe ich was über gesellschaftliche Fragen, die Probleme alleinerziehender Mütter, die soziale Entwertung des Schauspielerberufes in unserer grausamen Zeit... Diese gesellschaftlichen Fragestellungen kommen von ganz allein. Jeder von uns ist hier und heute in die sogenannte Gesellschaft und ihre Probleme verstrickt, ob er will oder nicht. Deshalb ist es kein Wunder, dass auch das Schicksal meiner Figuren sehr viel damit zu tun hat. Aber darauf habe ich beim Schreiben gar nicht so sehr geachtet. Viel wichtiger waren mir diese gebrochenen Gestalten, die doch intelligent und im tiefsten Innern gute Menschen, aber dennoch unglücklich sind und die von den Normen oder von ihrer gesellschaftlichen Rolle in bestimmte Haltungen gezwungen werden.

In deinem ersten Buch Schneeweiß und Russenrot und deinem Rap-Roman Die Reiherkönigin sind die Frauen meistens dümmliche, oberflächliche Charaktere. Man spürt bei dir immer eine elementare Sympathie für die männlichen Hauptfiguren, auch wenn es im Grunde abstoßende Machos sind.

Richtig. Aber der TV-Schauspieler Parcha in den Rumänen ist wohl meine bisher böseste Männerfigur. Andrzej „der Starke“ und Stanisław Retro waren einfach dumm, aber Parcha ist gebildet und desto perfider, weil er den Frust über sein eigenes Scheitern an anderen auslässt. Für ihn sollte dieses ganze Rumänenspiel nur ein großer Spaß sein, und als es so tragisch endet, wird er stinksauer und sucht ein Opfer.

Das Interview führte Olaf Kühl