Dorota Masłowska
Meine literarischen Mütter
Schreiben wollte ich schon immer gern, seit ich lesen kann, und die
Geschichte meines Schreibens ist die Geschichte der Bücher, die ich las: am
Anfang also alle polnischen Mädchenbücher. Meine Mutter kaufte mir jede Woche
eines, ich las sie in einem Rutsch. Heute frage ich mich, was ich als
Neunjährige davon verstanden haben mochte. Dennoch wollte ich Wort für Wort
haargenau so schreiben. Das erste Buch, dessen ganzes Grauen zu mir drang, war
Tomek Tryznas Fräulein Niemand. Da wurde mir zum ersten Mal klar, das
man beim Schreiben so tun kann, als wäre man jemand anders, und ich bekam eine
Vorahnung von der Lust, die das Schreiben bieten kann, das heißt, die
vorübergehende Erleichterung von der eigenen Identität. Dann las ich Nabokovs Lolita,
und danach alles andere, was er geschrieben hat und was ich in der
Stadtbibliothek ausleihen konnte, wo es in Spinnweben verstaubte. Als ich aufs
Lyzeum kam, habe ich dort sofort die Bibliothek geplündert, habe alles gelesen,
was es dort gab, irgendwelche – aus heutiger Sicht – absurden Dinge, sämtliche
Bücher von Jerzy Kosinski, John Irving, Irwin Shaw, Reymont, żeromski; damals gefiel mir auch
Raymond Queneau sehr. Zu der Zeit las ich ein Buch am Tag, und mein Stil, in
dem ich dramatische Tagebücher schrieb, die ich übrigens vor kurzem allesamt im
Ofen verbrannt habe, wuchs und wucherte in den seltsamsten Richtungen. Aber ich
glaube, früher oder später ist das alles irgendwo in den Abgründen der
Erinnerung untergegangen und nicht mehr auseinanderzuklambüsern. Deutlich
erinnere ich mich dagegen an den Eindruck, den Anais Nin und Henry Miller auf
mich gemacht haben, diese eruptive Art zu schreiben, die Worte einfach aus sich
herausbrechen zu lassen, statt zu tröpfeln und zu ziselieren. Diese Bücher
hatte ich auch aus der Bibliothek, natürlich habe ich aus denen damals Fotos
ausgerissen und sogar mit der Schere meine Lieblingssätze ausgeschnitten. Und
hier komme ich nun auf einen realen Einfluss zu sprechen; denn kaum war mir
bewusst geworden, dass man auf diese Weise schreiben kann, hatte ich innerhalb
eines Monats mein erstes Buch heruntergeschrieben; gestrichen habe ich davon
vielleicht zwei Sätze. Alle trugen damals T-Shirts mit irgendwelchen Bands, ich
hatte eines mit der Aufschrift "Anais Nin". Den ganzen Rest kriege
ich nicht mehr zusammen. Großen Eindruck hat auf mich Flaubert gemacht, seine
Grausamkeit. Später las ich plötzlich Faulkner und wurde für lange Zeit zu
einer manischen Anhängerin von ihm, denn er konstruiert seine Sätze so, dass
man sie mit den Eingeweiden versteht. Und kürzlich habe ich mich gefreut, dass
ich im Lyzeum die Bücher von Franz Kafka nicht gelesen habe und mich dieser
nicht sehr originellen Faszination heute hingeben darf. Und noch etwas – im
letzten Sommer habe ich zur eigenen Verwunderung den Paten gelesen;
diese Schießereien, Hinterhalte und Autounfälle haben mir wahnsinnig gefallen.
Das ist wohl alles an literarischen Erschütterungen, die mich bisher geprägt
haben.
Deutsch von Olaf Kühl