Camp contra Emphase – Die polnische Literatur nach 1989 in ihrem Verhältnis zu Witold Gombrowicz

Witold Gombrowicz (1904-1969) identifizierte die Form als jenes Element, das dem Menschen nicht nur den authentischen Ausdruck des eigenen Ich, sondern sogar den Zugang zu ihm verwehrt. Natur war ihm kein Garant von Echtheit, sondern eine „Hure“ (Pornographie). Ganz in der Tradition eines Oscar Wilde, sah er im Kunstwerk eine Lüge und machte die Lüge zur Kunst. Die polnische Literatur, seit der Romantik von hohem Sendebewusstsein getragen, konnte auch nach der Wende oft nur wenig mit solcher Ironie, Provokation und tänzerischem Spiel mit dem Stil anfangen. Zu drängend waren die Wahrheiten, die ausgesprochen werden wollten. Die Spanne geht von den Prosahandwerkern (Stefan Chwin, Paweł Huelle, Olga Tokarczuk) bis zu den sozial Engagierten (Sławomir Shuty, Mariusz Sieniewicz). Einige Autoren dagegen (Michał Witkowski, Dorota Masłowska) scheinen ein perfides Vergnügen an der Stilistik des „Camp“ zu finden. Wie die jüngste Literatur sich um eine „Achse der Künstlichkeit“ ordnet und welche Auswirkungen dies auf Rezeption und literarische Richtung hat, soll in diesem Seminar untersucht werden.

 Lektüreempfehlungen:

Witold Gombrowicz. Tagebücher 1953-1969; Pornographie.
Micha
ł Witkowski, Lubiewo; Queen Barbara.
Dorota Masłowska, Schneeweiß und Russenrot; Die Reiherkönigin.
Mariusz Sieniewicz, „Der vierte Himmel” (in Polenplus Heft 3, S. 126-127).
Susan Sontag. Notes on Camp, (dt. „Anmerkungen zu ‚Camp’“), in: Geist als Leidenschaft. Ausgewählte Essays. Leipzig und Weimar 1990.
André Gide, Briefe und Tagebücher.