im Namen
des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit,
darf ich Sie heute
hier in der Hochschule für Wirtschaft und Recht
begrüßen und allen Teilnehmern,
besonders den Gästen aus Russland, einen angenehmen Aufenthalt
in Berlin
wünschen.
Für den
Berliner Senat besitzt die Zusammenarbeit mit Russland eine ganz
besondere
Priorität. Seit 1991 pflegen wir die
Städtepartnerschaft mit Moskau. Sie gehört
zu den aktivsten der 17 Städtepartnerschaften des Landes und
umfasst fast alle
Bereiche der kommunalen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
Allerdings nimmt
die Zusammenarbeit mit Peking rasant an Intensität zu und
gefährdet inzwischen
das Ranking von Moskau, was die Zahl der Delegationen und
Projekte betrifft.
Kontakte auf allen Ebenen, das wissen wir, hängen immer in
sehr starkem Maße
vom persönlichen Engagement der Beteiligten ab. Deshalb gibt
es unter den 17
Partnerschaften Berlins auch manche, die nur auf dem Papier existieren.
Dem
früheren, langjährigen
Oberbürgermeister von Moskau, Jurij Luschkow, konnte
man bestimmt so manches vorwerfen, nicht aber mangelndes
Interesse an
Deutschland und an Berlin. Leider ist uns mit der Absetzung Luschkows
ein
Großteil der uns vertrauten Mitarbeiter in der Moskauer
Stadtverwaltung
verloren gegangen. Daher durchwandern wir im Augenblick gerade eine
Durstzone,
was die Kommunikation mit der russischen Hauptstadt angeht. Wir sind
dennoch
zuversichtlich, bald wieder Licht am Horizont zu sehen.
Wegen
dieser Priorität bin ich sehr erfreut darüber, dass
die Hochschule für Wirtschaft
und Recht seit vielen Jahren ganz intensive Kontakte zu russischen
Universitäten pflegt und Partnerschaftsverträge mit
der Lomonosov-Universität
und der Russischen Universität der Völkerfreundschaft
in Moskau sowie mit der
Staatlichen Universität für Wirtschaft und Finanzen
in St. Petersburg pflegt.
Die ersten
Nachwendezeiten, als Berlin und der Westen Russland gegenüber
in der Rolle des
Lehrers auftraten, was Demokratie und Marktwirtschaft angeht, sind
längst
vergangen. Heute wird es um den gegenseitigen Austausch gehen, um einen
gleichberechtigten
Dialog zweier Rechts- und Verwaltungssysteme, die
Ähnlichkeiten, aber auch
Unterschiede aufweisen. Ich vermute außerdem, dass die
Hochschulausbildung in
Russland der deutschen an Qualität keineswegs nachsteht,
sondern dass wir hier
im Gegenteil von Russland sehr viel lernen können.
Zu dieser
Vermutung bringen mich auch Erfahrungen, die ich selbst vor kurzem auf
einer
zwölftägigen Reise
durch Russland gemacht habe, von Wolgograd über Uljanowsk
und Samara bis hoch
in den Norden, nach Archangelsk
und Sewerodwinsk.
In jeder
Stadt hatte ich Gelegenheit, an den Universitäten mit
Studenten zu diskutieren.
Und ich war verblüfft von der Qualifikation und der geistigen
Offenheit dieser
jungen Menschen. Dies war eine Erfahrung, die mich ungemein
optimistisch für
die Zukunft des Landes gestimmt hat. Man kann davon ausgehen, dass
diese Jugend
der Gesellschaft wirklich starke Reformimpulse geben wird. Und
man kann
hoffen, dass sie sich nicht vom Status quo entmutigen lässt
und vorzeitig
resigniert und sich anpasst.
Denn
natürlich gibt es in Russland Probleme, über die man
offen sprechen muss. Nicht
etwa, um das Ansehen Russlands in der Welt zu schädigen.
Sondern gerade in dem
Wunsch, dass diesem Ansehen auf Dauer nicht weiter Schaden
zugefügt werden
möge. Eines der Probleme ist die Kluft zwischen Rechtstheorie
und
Rechtswirklichkeit. Diese Kluft bricht oft immer dann auf, wenn
politische
Interessen einzelner Gruppen in die Rechtsprechung hineinwirken. Das
zweite
Gerichtsurteil gegen Michail Chodorkowskij
ist eine offene Farce, was alle
ernsthaften Juristen bestätigen. Dieses Urteil
spricht sämtlichen Maßstäben
des gesunden Menschenverstandes und des Rechts hohn. Solange die
Richter nicht
frei und unabhängig entscheiden können –
solange kann man theoretisch lange
über die Vervollkommnung des Rechtssystems und der
Rechtsprechung diskutieren –
praktisch wird sich dann nicht so rasch etwas zum Besseren
wenden.
Lassen Sie
sich von dieser Zwischenbemerkung, die mir einfach sehr am Herzen lag,
nicht
die Laune verderben. Ich entnehme dem Programm Ihres Symposiums, dass
Sie sich
vor allem mit der öffentlichen Verwaltung und dem
Verwaltungsrecht befassen
werden. Das ist ein weniger von Minen gespicktes Feld. Hier kann
bestimmt die
deutsche Seite ebenso viel von der russischen lernen wie umgekehrt.
Wichtig
scheint mir, dass
man offen über alle Fragen miteinander spricht und nie die
Neugier auf die
Erfahrungen des anderen verliert.
In diesem
Sinne wünsche ich Ihnen drei diskussionsreiche und fruchtbare
Tage auf dem
Campus Lichtenberg und übermittle noch einmal die
Grüße des Regierenden
Bürgermeisters,
Klaus Wowereit, der sich über diese enge Zusammenarbeit der
Hochschulen ganz
außerordentlich freut.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Quelle: