Lesung mit Musik - Hiphop zum Roman: Dorota Maslowska zu Gast in der Centralstation
DARMSTADT.
Dorota Maslowska ist die derzeit angesagte Gossenfeder Polens. Erst
umstritten, weil die Sprache ihres Erstlingswerks Schrammen an der
ästhetischen Leseerwartung hinterließ, reist sie nun als Medienstar mit
Grübchenlächeln auch durch Deutschland und produziert dabei güldene
Verkaufszahlen.
Der Rummel um ihre Person scheint ihr jedoch
nicht geheuer. Eingepackt im rosa Schal und ein Auge hinter
Haarsträhnen verhängt, sitzt sie am Freitag auf dem Podium der
Centralstation Darmstadt vor dem überwiegend polnisch sprechenden
Publikum, innerlich vielleicht auf der Flucht: vor den Blicken, die
nicht auf ihre Sätze hören, sondern erwartungsvoll auf ihre Person
starren.
Dorota Maslowska liest auf Polnisch und aus einem
geliehenen Buch, weil sie ihres vergessen hat. Ohne aufzuschauen,
vergräbt sie sich in ihrem Text, wie atemlos schaufelt sie die Sätze
aus sich heraus. In ihren Wortgebäuden ist sie zu Hause. Die Zuhörer
kichern, verhalten erst, dann freigebiger: Man muss sich ein bisschen
einhören, um den zwischen berstender Grammatik und Fäkalausdrücken
versteckten Humor zu fassen. Als sie fertig ist, lächelt Maslowska zu
Olaf Kühl herüber. Dann darf sie sich ausruhen und zuhören, wie der
Übersetzer ihrer Bücher, der routiniert durch den Abend führt, aus den
deutschen Passagen der ,,Reiherkönigin" liest.
Maslowskas
zweiter Roman ist in Rapform verfasst und persifliert Polens medial
verkorkste Musikbranche . Mit Olaf Kühl wechseln sich deshalb zwei
Rapper aus Berlin ab, die den gereimten Text in Hiphop-Rhythmen gießen.
Wort in Klang, das funktioniert prächtig, reichert sogar das
Verständnis an: Wenn Andreas Raab am Mikrofon vom harten Rap ins
Wiegenlied wechselt, bekommen Details die man gern überliest, Kontur.
Gepeitscht vom Schlagzeug-Drall (Sid Peghini) wird zudem das Texttempo
trefflich gesteigert. Der Abend ist amüsant, und er schließt die Ohren
auf für die kernige Literatur. Denn wenn das Lachen verklingt, bleibt
das Nachdenken über eine bittere Gesellschaftsanalyse in glucksender
Ironie wickelt.
Den Höhepunkt in Punkto Sprachwitz bringt Kühl,
als er aus ,,Wir kommen gut klar mit uns" liest. Im jüngsten
Theaterstück Maslowskas geht es auch um die von Okkupationen und
Kriegen zerrupfte Identität Polens: ,,Wir sind gar keine Polen, sondern
Europäer, normale Menschen, die Polnisch von CD gelernt haben - warum
soll man irgendwelche Polen sein?"
Artig hat Maslowska
zugehört. Verstanden hat sie wohl wenig, obwohl sie seit fast einem
Jahr als DAAD-Stipendiatin in Berlin lebt. Ihr anarchisches polnisches
Gehirn sei gegen deutsche Sprachanforderungen widerstandsfähig,
entschuldigt sie sich. Flüstert zu Olaf Kühl hinüber, sie habe keine
Lust auf seine Fragen: Seit einer Woche auf Lesetour, kauen die beiden
wohl immer wieder dieselben Fragen durch. Dabei noch authentisch zu
bleiben, ist eine echte Aufgabe: Besonders wenn man, so Dorota
Maslowska über sich, ,,introvertiert und schrullig" sei und
öffentliches schauspielern hasse. Kühl kommt dem Wunsch des Schützlings
nach und öffnet das Gespräch für das Auditorium - bis sie das Ende der
Show herbeiflüstert, und Kühl sofort die Schotten dichtmacht.
(Quelle: http://www.echo-online.de/nachrichten/kunstundkultur/art1161,425789, 22. November 2009)